Donnerstag, 12. November 2009
Raupengarn
lenny ledger, 22:16h

Die Raupe Bert weiß noch nicht viel.
Sie glaubt aber zu wissen, dass sie ein Produkt ihrer Umgebung ist. Diese ihre Umgebung hat sie bis jetzt auch zu vielem beflügelt, zum Fliegen selbst aber sicherlich noch nie. Dieser Tatsache steht die Raupe Bert aber glücklicherweise sehr gelassen gegenüber. Sie glaubt, dass es um einiges sinnvoller ist, als junge Raupe, die Bert nunmal noch ist, bodenständig Himmel und Universum (das Restaurant an seinem Ende sowieso) zu beobachten, anstatt jetzt schon als freier, fliegender Schmetterling doch nicht über den Kartoffelacker unter sich hinausschauen zu können.
Denn Wissen, so glaubt die Raupe erkannt zu haben, ist Macht. Das heißt aber in den seltensten Fällen, dass Macht auch Wissen voraussetzt. Sollte dies aber trotzdem der Fall sein, könnte etwas wundervolles geschehen. Darum versucht die Raupe Bert nun erstmal so viel Wissen und Erfahrung zu sammeln wie es ihr möglich ist. Damit sie dann als Schmetterling nicht nur fliegen kann, sondern alle anderen Schmetterlinge, die einmal gleich alte Raupen waren oder noch sind, dann aber ältere Schmetterlinge sein werden, an besonderen Tagen auch mal zu benachbarten Kartoffeläckern führen kann. Dadurch könnte zu ganz neuen Ufern aufgebrochen werden.
Die Raupe Bert weiß auch von einer anderen Raupe namens Os von Karlataine. Os ist eine dieser Raupen die viele Freunde unter den Raupen hat, weil er viel zu versprechen weiß. Er ist der Führer einer Gruppe die davon redet allen Schmetterlingen die Flügel zu nehmen, um sie dann gerecht unter allen Raupen und Schmetterlingen wieder aufzuteilen. Denn dann, so glauben sie, kann endlich jeder fliegen.
Das hört sich tatsächlich sehr gut an, findet auch die Raupe Sib. Bert weiß allerdings, dass es einen derartigen Versuch schon einmal gegeben hat. Aber kurz vor dem Moment der Aufteilung aller Flügel, merkten die paar Raupen, die diesen Schritt damals durchführen sollten auf einmal, was für eine Macht sie da mit ihren Fühlern balancierten und sie entschieden sich kurzer Dinge dafür, die Flügel alle unter Verschluss zu bringen. Ab da waren alle erstmal dazu gezwungen Raupen zu bleiben und niemand konnte für eine gewisse Zeit auf die Hilfe freiheitsbringender Flügel zurückgreifen.
"Der rote Apfel fällt nicht weit vom braunen Stamm", pflegte Berts Vater, mittlerweile eine sehr alte Raupe, immer dazu sagen. Deshalb steht die Bert dieser "neuen" Idee von Os auch eher skeptisch gegenüber, auch wenn er das Gerede seines Vaters, wie es sich für einen guten Sohn gehört, immer für etwas übertrieben gehalten hat.
Aber wie immer hält sich die Raupe lieber erstmal zurück. Für sie gilt es erstmal andere Fragen zu beantworten.
Wird man, wenn man sich für längere Zeit in einem Kokon einsperrt, in der darauf folgenden Phase nicht nur zu einem Schmetterling seiner eigenen Welt?
Wenn ja, ist das wirklich schlimm oder vielleicht sogar sinnvoll?
Wenn nein, wo sind dann all' die Helden hin?
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